juli 2025, streetfotografie
dotroom, csd (2022)
mark sprenger, blau (2012)
kamrooz haghgoo, vorbeifahrende gedanken (2024)
dotroom, csd (2022)
Was reizt Dich am meisten an der Streetphotographie und wo siehst Du die grösste Herausforderung, Schwierigkeit, Gefahr?
Das Unvorhersehbare.
Das Unvorhersehbare zu sehen und es geschmackvoll zu präsentieren.
Beim Fotografieren zu viel zu denken.
Ich sehe keine Gefahr. Die Frage impliziert, dass die Streetfotografie gefährlich ist.
Kamrooz hat von einer „Poesie des Augenblicks“ gesprochen. Würdest Du das auch so beschreiben und wenn ja, wo und wann glaubst Du sie zu
finden?
Ich bin kein Mensch, der die Poesie sucht. Wer sie in meinen Fotos findet kann sich glücklich schätzen.
Drei Dinge/Fehler, die Street nicht machen sollte? Oder falls Du eher positiv denken willst: 3 Dinge, die Street unbedingt vermitteln sollte?
Street sollte einen Moment zeigen, der einzigartig, möglicherweise komisch und ohne viele Worte zu benutzen nachvollziehbar ist.
Bedauerst Du manchmal, statt einer Momentaufnahme kein Video/Film/Kurzfilm zu machen? Wenn nicht, warum?
Das Foto ist die Quintessenz einer Bildabfolge. Der Moment muss beim Foto passen. Das ist die Herausforderung, die ich liebe. Ich bereue es nicht, anonsten würde ich
filmen, was ich gelegentlich auch mache, oder gemacht habe.
mark sprenger, blau (2012)
Was reizt Dich am meisten an der Streetphotographie und wo siehst Du die grösste Herausforderung, Schwierigkeit, Gefahr?
Ich weiß gar nicht so genau, was Streetfotographie ist. Hier muss wohl jeder seine eigenen Grenzen festlegen. Ich liebe es jedenfalls, durch Straßen, Gebäude und Landschaften, also schlicht durch die Gegend, zu laufen und dabei, für mich, interessante Dinge festzuhalten. Und machmal versuche ich die Dinge auch selbst zu kreieren. Womit wir schon bei den Schwierigkeiten wären. Interessante Dinge interessant festzuhalten. Das gelingt mir nicht allzu oft und es ist mir bis heute ein Rätsel, wie mache Photographen es schaffen so großartige Bilder zu erschaffen (ich mag z. B. sehr Elliott Erwitt und Sebastião Salgado). Aber solange ich am Prozess der Entstehung Freude habe, ist das Ergebnis nur bedingt wichtig. Eine weitere Schwierigkeit und Gefahr sehe ich bei der Fotographie von Menschen. Es scheint immer weniger öffentliche Räume, Aktivitäten, Situationen zu geben in oder bei denen nicht irgendjemand filmt oder fotografiert. So besteht dauern die Gefahr, dass Bilder von der eigenen Person, beabsichtigt oder unbeabsichtigt, im Internet landen. Es wäre schön, wenn wir „kamerafreie“ Räume hätten, in denen man sich „frei“ bewegen kann. Leider trage ich mit meinem Hobby zu diesem Problem bei. Ich versuche es dadurch abzumildern, dass ich nicht jede Situation fotografiere und nach Möglichkeit versuche Menschen so zu fotographieren, dass sie nicht zu erkennen sind. Das lässt sich, wie die von Werner ausgewählten Bilder zeigen, nicht immer sinnvoll umsetzen.
Kamrooz hat von einer „Poesie des Augenblicks“ gesprochen. wo und wann glaubst Du sie zu finden?
Die „Poesie des Augenblicks“? Hmm… Das klingt sehr romantisch, wohlweislich, dass es das nicht sein muss. Es ist ein Gefühl, dass mich die Kamera heben und auf den Auslöser drücken lässt. Und es ist ein Gefühl, dass hinterher durch das Bild transportiert wird. Es mag sein, dass meine Bilder für andere belanglos wirken, sie nicht den Kriterien eines guten Kunstwerks entsprechen. Für mich drücken Sie etwas aus, auch wenn ich es meist nicht in Worte fassen kann - deshalb fotografiere ich ja auch. Oft entstehen meine Bilder im Urlaub oder in Zeiten und Momenten, die vom Stress und Druck des Alltags befreit sind, die einem die Möglichkeit geben sich auf Dinge, Räume, Menschen, Situationen und seine Gefühle einzulassen, sie wahrzunehmen. In der Hektik des Alltags ist mir das oft nicht möglich. Ja, vielleicht entsteht dann die „Poesie des Augenblicks“. Oder zumindest wird sie dann wahrgenommen.
3 Dinge/Fehler, die Street nicht machen sollte? Oder falls Du eher positiv denken willst: 3 Dinge, die Street unbedingt vermitteln sollte?
Fehler gehören zum Leben. Statt für Verurteilungen sollten Sie zum Lernen genutzt werden. Ansonsten „muss" die (Street)Fotographie natürlich gar nichts. Aber sie darf. Sie darf uns etwas zeigen.
Bedauerst Du manchmal, statt einer Momentaufnahme kein Video/Film/Kurzfilm zu machen? Wenn nicht, warum?
Nein, das bedauere ich nicht. Die Fotographie ist für mich etwas anderes als ein Film. Würde ich lieber filmen, dann würde ich filmen.
Kamrooz Haghgoo, Vorbeifahrende Gedanken (2024)
Was reizt Dich am meisten an der Streetphotographie und wo siehst Du die grösste Herausforderung, Schwierigkeit, Gefahr?
Die Faszination der Street Photography liegt für mich in ihrer unverfälschten Unmittelbarkeit – sie ist eine visuelle Anthropologie, ein Studium des Menschlichen im urbanen Raum. Es ist die Suche nach dem „Decisive Moment“ im Cartier-Bresson’schen Sinne, jenem flüchtigen Augenblick, in dem Form, Komposition und Emotion eine transzendente Einheit bilden.Die größte Herausforderung besteht jedoch nicht im Technischen, sondern im Ethischen: Wie nah darf ich gehen, ohne die Subjekte zu Objekten zu reduzieren? Street Photography balanciert ständig zwischen Dokumentation und Intimität, zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre. Die „Gefahr“ – wenn man es so nennen möchte – liegt im Voyeuristischen, das dieser Gattung inhärent ist. Ein falscher Schritt, und aus einem poetischen Bild wird eine Verletzung. Mein Kompass ist hier stets der Respekt: Ich fotografiere nicht über, sondern mit den Menschen, selbst wenn es nur ein stiller Dialog durch den Sucher ist.
Du hast von einer „Poesie des Augenblicks“ gesprochen. Würdest Du das auch so beschreiben und wenn ja, wo und wann glaubst Du sie zu finden?
Poesie entsteht dort, wo das Banale durch eine unerwartete Konstellation bricht – ein Wimpernschlag der Urbanität, der das Gewöhnliche ins Universelle hebt. Diese Momente sind selten spektakulär, aber stets wahr: ein alter Mann, der im Gegenlicht einer U-Bahn-Station sein Zeitungsblatt hält, als wäre es ein Manuskript; die Spiegelung einer Frau in einer Pfütze, die plötzlich mit dem Himmel verschmilzt.
Ich finde sie besonders in Übergangsräumen: Bahnhöfe, Marktplätze, Kreuzungen – Orte, an denen Zeit und Raum kurzzeitig kollidieren. Entscheidend ist die Ambivalenz: Der Augenblick muss zugleich konkret und rätselhaft sein, wie ein Haiku. Technisch bedeutet das: Licht, Geometrie und menschliche Geste müssen in einer Weise korrespondieren, die über das Abbild hinausweist.
Drei Dinge/Fehler, die Street nicht machen sollte? Oder falls Du eher positiv denken willst: 3 Dinge, die Street unbedingt vermitteln sollte?
Ich formuliere es positiv, denn Street Photography sollte stets eine Einladung sein – zum Sehen, zum Nachdenken, zum Staunen:
1. Tiefe statt Oberfläche
Ein starkes Straßenbild erzählt mehr, als es zeigt. Es vermeidet das rein Anekdotische und wird zur Metapher. Ein Beispiel: Ein Schuhverkäufer in Iran, der seine Ware vor einer Wand aus Propaganda-Plakaten ausbreitet, ist nicht nur eine Szene – es ist ein Kommentar zu Konsum und Ideologie.
2. Demut vor dem Zufall
Der beste Street Photographer ist kein Regisseur, sondern ein Empfänger. Wer zu sehr inszeniert oder nach Klischees jagt („weinende Clowns“, „einsame Alte“), verliert die Essenz des Genres: das Leben, wie es ungeplant passiert.
3. Humanität als roter Faden
Selbst in der Hektik der Straße sollte das Bild die Würde der Abgebildeten bewahren. Das bedeutet: Keine Erniedrigung für die Ästhetik, keine Ausbeutung des Fremden als exotisches Motiv. Gute Street Photography ist empathisch – selbst wenn sie scharf beobachtet.
Bedauerst Du manchmal, statt einer Momentaufnahme kein Video/Film/Kurzfilm zu machen? Wenn nicht, warum?
Nie. Die Stärke der Fotografie liegt gerade in ihrer Beschränkung: Sie ist ein einziger, unveränderlicher Frame, der den Betrachter zwingt, aktiv zu werden – die Geschichte davor und danach selbst zu imaginieren. Ein Video erklärt; ein Foto fragt. Hinzu kommt die Alchemie des Standbildes: Durch den Ausschnitt, den ich wähle, transformiere ich Realität in Komposition. Die „vorbeifahrenden Gedanken“ meines besagten Bildes wären als Film vielleicht nur eine Sekunde Unschärfe – als Foto jedoch ein verdichtetes Symbol für Vergänglichkeit.