Es gibt ein berühmtes gedicht von ingeborg bachmann: "im gewitter der rosen". das gedicht ist, wie viele gedichte von ingeborg bachmann, sehr düster, es schmerzt. es hat also nichts mit dem bild von irena kant zu tun, das so frisch ist, so bunt, so fröhlich.
Seit ich allerdings über rosen und rosenbilder nachdenke, befinde ich mich in einem zustand, der einem "gewitter der rosen" sehr nahe kommt. von überall ziehen rosen
und rosenbilder auf, türmen sich wie wolken rosenbeete, schwirrt mein kopf vom betörenden duft der rosen und der umwerfenden pracht ihrer blüten.
Exakt diesen taumel der rosen vermittelt mir das bild von irena kant.
Es gibt so viele rosen-bilder in der kunst. So viele, die einem sofort in den sinn kommen, und mit ihnen die ganze wucht der symbolik. Und die einem vielleicht eine
unvermittelte betrachtung eines "einfachen" rosenbildes verstellen. Wie bei dem bild von irena kant, das eigentlich so leicht ist, unbeschwert und so rein.
Die andern bilder in der rosen-tradition sagen etwas anderes, etwas, das allerdings auch unumgänglich ist, wenn man der schönheit der rosen begegnet: z.b. die
verführung, die schönheit besitzen zu wollen, das röslein zu brechen. Aber wehe! die blutigen finger, die man sich dabei holt. Und dann das arme gebrochene röslein, das woanders nicht mehr
gedeihen will.
Oder die flüchtige schönheit der rose, reine vergänglichkeit: vanitas…
Einer legende nach soll in rainer maria rilkes spartanischem arbeitszimmer in dem schlösschen muzot, seinem letzten wohnsitz, immer eine rose auf dem schreibtisch gestanden haben. Eines tages habe er sich an deren dornen gestochen und sich dabei eine blutvergiftung zugezogen, an der er schließlich gestorben sei. eine schöne, aber allzusehr auf den rilke-mythos getrimmte legende. In wirklichkeit ist er an leukämie gestorben. Viel mehr rosen-wahrheit liegt in dem spruch, den er sich aufs grab schreiben ließ:
Rose, /oh reiner /Widerspruch, /Lust, /Niemandes /Schlaf /zu sein /unter soviel /Lidern.
Das ganze dilemma unserer rosen-verehrung, unserer anfälligkeit für ihre schönheit.
Bis gertrude stein dann mit dem ganzen rosen-brimborium aufgeräumt hat: Color mahogany
center.
Rose is a rose is a rose is a rose.
Loveliness extreme.
Schließlich die monumentalen rosen von cy twombly im museum brandhorst in münchen. Das große rosen-ding in großformat: diese ungeheuer mächtigen, ungeheuer zarten, umwerfenden rosen-bilder mit den texten von r.m. rilke, ingeborg bachmann, t.s.eliot in twomblischer schönschrift.
Von da, von cy twombly und dem großen rosenformat zurück zu dem kleinen foto von irena kant, die, soviel ich weiß, in einem kleinen ort in der nähe von stuttgart lebt. Einerseits ein weiter weg von rilke, gertrude stein und cy twombly. Andererseits auch nicht, wenn man von der großen bühne der weltkunst und vom format absieht.
Ich finde, verena kants rosen sind auch ein großes, ein schönes, vielleicht sogar ein "umwerfendes" bild. Ein bild, das so viel von dem evoziert, was man mit rosen verbindet: ihre schönheit, ihre transparenz, ihren betörenden duft, ihre verschwenderische blütenpracht.
Reine synästhesie. allein mit den mitteln der fotografie. Obwohl "im rosentau" sehr verschieden ist von anderen rosen-fotos.
Es ist eigentlich kein foto, auch nicht eines mit ki
generiert. Es will nicht einfach die schönheit ihres sujets mit der kamera "festhalten" oder abbilden.
Irena kraft will, wenn ich das bild richtig verstehe, mehr. Sie will die schönheit, der rose neu erschaffen, sie will die ungeheure empfindung, die rosen in ihr
auslösen, neu gestalten. Mit den mitteln der fotografie, also auch mit photoshop, doppelbelichtung, montage... Sie geht dabei vor wie ein maler: sie übermalt, legt transparente schichten auf,
hebt formen hervor, wischt andere weg.
Um damit ein rosen-bild zu schaffen, das uns diesen tiefen eindruck von ihrer schönheit, ihrem duft und der leuchtkraft ihrer farben vermittelt.
paul adam